Dichter & Denker

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weirdo
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Dichter & Denker

von weirdo am 24.10.2009 15:02



Lucius Annaeus Seneca:
De brevitate vitae 14/15

Nur die allein leben in Muße, die ihre Zeit der Weisheit widmen: Sie allein leben. Sie hüten nämlich nicht nur ihre eigene Lebenszeit gut, sie fügen ihr auch noch jede Zeitepoche hinzu. Alle Jahre, die vor ihnen gelebt wurden, haben sie für sich gewonnen. Wenn wir nicht ganz und gar undankbar sind, dann sind doch all die berühmten Schöpfer des ehrwürdigen Gedankenguts für uns geboren, haben uns den Weg zum rechten Leben gebahnt. Zum Edelsten und Schönsten, das durch die Mühe anderer aus der Finsternis ans Licht gebracht wurde, werden wir hingeführt. Kein Zeitalter ist uns verschlossen, zu allen haben wir Zutritt, und wenn wir hochgemut die Schranken menschlicher Schwäche überschreiten wollen, dann tut sich ein großer Zeitraum auf, den wir durchwandern können. Wir dürfen disputieren mit Sokrates, zweifeln mit Karneades, Ruhe finden mit Epikur, die menschliche Natur überwinden mit den Stoikern, mit den Kynikern sie hinter uns lassen.

Da die Natur es uns gestattet, als Zeitgenosse in jeder Epoche einzutreten, warum sollten wir uns da nicht von unserer kurzlebigen Augenblicksexistenz weg und mit ganzer Seele dem zuwenden, was unermesslich, was ewig ist, was uns mit Besseren in Verbindung bringt? [...] Nur die widmen sich, so meinen wir, den rechten Verpflichtungen, die sozusagen täglich mit Zenon, mit Pythagoras, Demokrit und den übrigen Größen der Wissenschaft, wie Aristoteles und Theophrast, möglichst vertrauten Umgang haben wollen. Jeder von ihnen hat Zeit, jeder wird den, der zu ihm kommt, empfangen und ihn glücklicher und in noch engerer Freundschaft entlassen. Keiner wird einen mit leeren Händen von sich weggehen lassen. Bei Tag und bei Nacht kann jeder Mensch bei ihnen Zutritt finden.

Von ihnen wird dich niemand zwingen zu sterben, aber jeder wird es dich lehren. Keiner von ihnen wird dich deine Jahre kosten, nein, sie geben dir noch ihre hinzu. Keiner von ihnen wird dich in ein gefährliches Gespräch verwickeln, keine Freundschaft wird dich den Kopf kosten, keinem musst du kostspielige Ehren erweisen. Du wirst von ihnen bekommen, was Du nur willst. An ihnen wird es nicht liegen, wenn du nicht soviel davonträgst, wie du nur fassen kannst. [...] Das Leben des Weisen erstreckt sich also über einen weiten Raum, ihn schließen nicht die gleichen Grenzen ein wie die übrigen Menschen. Er allein ist frei von den Zwängen der menschlichen Natur. Alle Jahrhunderte dienen ihm wie einem Gott. Ist eine Zeit für ihn vergangen, dann hält er sie in der Erinnerung fest. Ist sie gegenwärtig, nutzt er sie. Wird sie kommen, dann nimmt er sie vorweg. Sein Leben wird dadurch lang, dass er alle Zeiten in eine einzige zusammenfasst.

Übersetzung von Marion Giebel


Schöne Seite zu Seneca: www.dennis-kleine.com/seneca

Seneca, Übersetzungen: www.latein24.de/seneca_uebersetzungen
Lateinischer Text: http://la.wikisource.org/wiki/De_brevitate_vitae




Da lag die Ewigkeit wie ein schöner Maitag vor unsern Augen;
goldne Jahrtausende hüpften, wie Bräute, vor unserer Seele vorbei.

(aus: 'Kabbale und Liebe' von Friedrich Schiller)

Alles Wissen ist vergeblich ohne die Arbeit, und alle Arbeit ist sinnlos ohne die Liebe. [Khalil Gibran]

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Hanswuast

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Re: Dichter & Denker

von Hanswuast am 24.10.2009 22:22

Ja weirdo,

als Musiker ist es der selbe Zustand, es wird eine Ewigkeit in einem kurzem Kontext zusammengefasst und für die Ewigkeit in jeglicher Dimension dargestellt, für Jeden und All-es, für imer und ewig, trotz diesem kurzen Augenblicks...;-)

Jede Silbe, jedes Gefühl, jeder Ton ist nur eine Zusammenfassung diesen Augenblicks der Ewigkeit... und spiegelt sich in Wiederholungen dessen wieder, immer wieder... ewig...

Wahre Kunst in jeglicher Form ist ein Zustand, den Wir als Menschen mit einer Sehnsucht und Liebe erkennen können, der Uns ausmacht und stets einen wahren und ewiglichen Grund diese Daseins wiederspiegelt...

Epikur z. B. stellt eine solide Basis für genau diesen Kunstakt dar, der eine Lebenseinstellung der Mitte befürwortet, den Wir gerne verfolgen sollten...

Bildung -das Bild eines Jeden, einer Jeden- in der Hinsicht wird z. Z. völlig unterwandert und ist momentan leider zu wenig beachtet, systematisch für Viele nicht zugänglich... "warum auch immer" ist nicht gegeben, sondern mit gewisser Absicht zurückgehalten, da es Weißheiten und Logiken des universellen Lebens welcher Form und Dimension auch immer, für All-e beinhalten kann... nein, wirklich beinhaltet :cool:

Im Team ist der Mensch gar nicht so schlecht... :D

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Bastet

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Re: Dichter & Denker

von Bastet am 19.01.2010 23:15

Platons Apologie des Sokrates

In seiner Verteidigungsrede erzählt Sokrates, wie erstaunt er über die Antwort des Delphinischen Orakels auf seine Frage „Gibt es jemanden, der weiser ist als Sokrates?“ gewesen ist. Dieses antwortet: „Niemand ist weiser.“ Er erklärt, dass er nicht weise ist; weder sehr weise, noch auch nur ein wenig.

Er beschließt den Versuch zu machen, das Orakel zu widerlegen. Er geht zu einem Staatsmann Athens, der als weise galt, um von ihm zu lernen. Er kommt zur folgenden Erkenntnis:

„Weiser als dieser Mann bin ich schon. Zwar weiß keiner von uns beiden etwas Rechtes. Er aber glaubt, dass er etwas weiß, und weiß nichts. Ich weiß war auch nichts; aber ich bilde mit nicht ein, etwas zu wissen.“


Nachdem er mit den Politikern gesprochen hat, geht er zu den Dichtern und anschließend zu den Handwerkern. Auch bei diesen kommt er zu demselben Ergebnis.

So kam er letztendlich zu der folgenden Interpretation der Worte des Delphinischen Orakels:

„Unter den Menschen ist derjenige der Weiseste, der, wie Sokrates, erkennt, dass er in Wahrheit keine Weisheit besitzt.“

Link

Höre niemals auf zu träumen, denn in einem Traum verbergen sich oft die wahren Werte des Lebens.

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khaos
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Re: Dichter & Denker

von khaos am 20.01.2010 10:41

"Das Sein und das Nichts" von Jean-Paul Sartre

"Was ist das Sein?" dies ist Satres Ausgangsfrage die sich durch das gesamte Buch hindurch stellt.
Satre ist wohl einer der größten Philosphen des 20. Jahrhunderts gewesen. In diesem Werk räumt er dem menschlichen Bewusstsein eine Sonderrolle ein und behauptet das das Bewusstsein "für sich" ist und somit über alles weltliche und alle Dingen nachdenken kann. Steine, Pflanzen, Tiere, dies alles existiert grundlos und Sie haben kein Wissen über diesen Zustand der Grundlosigkeit. Auch der Mensch existiert grundlos - jedoch weis er dies.
Und genau dies ist der Kern der atheistischen Philosophie Satres. Es gibt keinen Gott und auch kein höheres Ziel des Lebens und der Existenz. Der Mensch wurde in diese große Sinnlosigkeit geworfen, alles erscheint ihm "de trop", zu viel, unnötig, sinnlos, und letztenendes ist er sogar noch dazu verurteilt sich selbst zu wählen.

Das Sein und das Nichts

<insert intelligent message here>

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weirdo
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Beiträge: 2046

Re: Dichter & Denker

von weirdo am 20.01.2010 23:20

Wer nicht so gerne liest, aber sowas wie einen mp3-Player besitzt...

Hier gibt es Seneca zum Hören: http://librivox.org

  • Trostschrift an Marcia
  • Trostschrift an seine Mutter Helvia
  • Über den Zorn
  • Vom glückseligen Leben
  • Von der Kürze des Lebens

Alles Wissen ist vergeblich ohne die Arbeit, und alle Arbeit ist sinnlos ohne die Liebe. [Khalil Gibran]

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