Gedichte

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Ozymandias

55, Männlich

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Re: Gedichte

von Ozymandias am 18.06.2010 15:22

Die Revolution

Und ob ihr sie, ein edel Wild, mit euren Henkersknechten fingt;
Und ob ihr unterm Festungswall standrechten die Gefangne gingt;
Und ob sie längst der Hügel deckt, auf dessen Grün ums Morgenrot
Die junge Bäurin Kränze legt - doch sag ich euch: Sie ist nicht tot!

Und ob ihr von der hohen Stirn das wehnde Lockenhaar ihr schort;
Und ob ihr zu Genossen ihr den Mörder und den Dieb erkort;
Und ob sie Zuchthauskleider trägt, im Schoß den Napf voll Erbsenbrei;
Und ob sie Werg und Wolle spinnt - doch sag ich kühn euch: Sie ist frei!

Und ob ihr ins Exil sie jagt, von Lande sie zu Lande hetzt;
Und ob sie fremde Herde sucht, und stumm sich in die Asche setzt;
Und ob sie wunde Sohlen taucht in ferner Wasserströme Lauf -
Doch ihre Harfe nimmermehr an Babels Weiden hängt sie auf!

O nein - sie stellt sie vor sich hin; sie schlägt sie trotzig, euch zum Trotz!
Sie spottet lachend des Exils, wie sie gespottet des Schafotts!
Sie singt ein Lied, daß ihr entsetzt von euren Sesseln euch erhebt;
Daß euch das Herz - das feige Herz, das falsche Herz! - im Leibe bebt!

Kein Klagelied! kein Tränenlied! kein Lied um jeden, der schon fiel;
Noch minder gar ein Lied des Hohns auf das verworfne Zwischenspiel,
Die Bettleroper, die zur Zeit ihr plump noch zu agieren wißt,
Wie mottig euer Hermelin, wie faul auch euer Purpur ist!

O nein, was sie den Wassern singt, ist nicht der Schmerz und nicht die Schmach -
Ist Siegeslied, Triumpheslied, Lied von der Zukunft großem Tag!
Der Zukunft, die nicht fern mehr ist! Sie spricht mit dreistem Prophezein,
So gut wie weiland euer Gott: Ich war, ich bin - ich werde sein!

Ich werde sein, und wiederum voraus den Völkern werd ich gehn!
Auf eurem Nacken, eurem Haupt, auf euren Kronen werd ich stehn!
Befreierin und Rächerin und Richterin, das Schwert entblößt,
Ausrecken den gewalt’gen Arm werd ich, daß er die Welt erlöst!

Ihr seht mich in den Kerkern bloß, ihr seht mich in der Grube nur,
Ihr seht mich nur als Irrende auf des Exiles dorn’ger Flur -
Ihr Blöden, wohn ich denn nicht auch, wo eure Macht ein Ende hat:
Bleibt mir nicht hinter jeder Stirn, in jedem Herzen eine Statt?

In jedem Haupt, das trotzig denkt? das hoch und ungebeugt sich trägt?
Ist mein Asyl nicht jede Brust, die menschlich fühlt und menschlich schlägt?
Nicht jede Werkstatt, drin es pocht? nicht jede Hütte, drin es ächzt -
Bin ich der Menschheit Odem nicht, die rastlos nach Befreiung lechzt?

Drum werd ich sein, und wiederum voraus den Völkern werd ich gehn!
Auf eurem Nacken, eurem Haupt, auf euren Kronen wer ich stehn!
’s ist der Geschichte eh’rnes Muß! Es ist kein Rühmen, ist kein Drohn -
Der Tag wird heiß - wie wehst du kühl, o Weidenlaub von Babylon!

Ferdinand Freiligrath, 1851

Das Leben ist ein langer Gang mit sehr vielen Türen, man braucht nur den richtigen Schlüssel.
            

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Ozymandias

55, Männlich

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Re: Gedichte

von Ozymandias am 18.06.2010 15:24

Revolution

"Es wird schon gehn!" ruft in den Lüften
Die Lerche, die am frühsten wach;
"Es wird schon gehn!" rollt in den Grüften
Ein unterirdisch Wetter nach.
"Es geht!" rauscht es in allen Bäumen,
Und lieblich wie Schalmeienton:
"Es geht schon!" hallt es in den Träumen
Der fieberkranken Nation.

Die Städte werden reg’ und munter,
"Es geht!" erschallt’s von Haus zu Haus;
Schon steigt der Ruhm in sie hinunter
Und wählt sich seine Kinder aus.
Die Morgensonne ruft: "Erwache,
O Volk, und eile auf den Markt!
Bring auf das Forum deine Sache!
Im Freien nur ein Volk erstarkt!

Trag all dein Lieben und dein Hassen
Und Lust und Leid im Sturmesschritt,
Dein schlagend Herz frei durch die Gassen,
Ja bring den ganzen Menschen mit!
Lass strömen all dein Sein und Denken
Und kehr’ dein Innerstes zu Tag!
Die Kindheit braucht dich nicht zu kränken,
Wenn du ein Kind von gutem Schlag!"

Die Morgensonne ruft: "Erwache!"
Klopft unterm Dach am Fenster an;
"Steh auf und schau’ zu unsrer Sache,
Sie geht, sie geht auf guter Bahn!
Ich lege Gold auf deine Zunge!
Ich lege Feuer in dein Wort!
So mach’ dich auf, mein lieber Junge,
Und schlag dich zu dem Volke dort!"

Er eilt, und es empfängt die Menge
Ihn hoffend auf dem weiten Plan;
Stolz trägt sein Kind des Volks Gedränge
Zur Rednerbühne hoch hinan.
Nun geht ein Leuchten und Gewittern
Aus seinem Mund durch jedes Herz;
Durch goldne Säle weht ein Zittern -
Es wird schon gehn, schon fliesst das Erz.

Wie eine Braut am Hochzeitstage,
So ist ein Volk, das sich erkennt;
Wie rosenrot vom heissen Schlage,
Vom Liebespuls ihr Antlitz brennt!
Zum ersten Mal wird sie es inne,
Wie schön sie sei, und fühlt es ganz:
So stehet in der Freiheitsminne
Ein Volk mit seinem Siegeskranz.

Doch wenn es nicht von Güte strahlet
Wie eine hochbeglückte Braut,
So ist sein Lohn ihm ausgezahlet
Und seine Freiheit fährt ins Kraut.
Ein böses Weib, ein gift’ger Drache
Und böses Volk sind all’ ein Fluch,
Und traurig spinnt die beste Sache
Sich in ihr graues Leichentuch!

Gottfried Keller

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Ozymandias

55, Männlich

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Re: Gedichte

von Ozymandias am 18.06.2010 15:25

Den Toten der Revolution

Todgeweihte Leiber
trotzig gestemmt
Wider den Bund
der rohen Bedränger,
Löschte Euch Schicksal
mit dunkler Gebärde.
Wer die Pfade bereitet,
stirbt an der Schwelle,
Doch es neigt sich vor ihm
in Ehrfurcht der Tod.

Ernst Toller

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Ozymandias

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Re: Gedichte

von Ozymandias am 18.06.2010 15:26

Der Geldsack

Ob ihr einen König habt
heuer zum Regenten,
oder ob ihr seid begabt
mit dem Präsidenten,
habt ihr Konstitution
oder habt ihr keine:
Einer sitzet auf dem Thron,
und hernieder voller Hohn
blicket er, dieser Eine-
der Geldsack, der Geldsack!

Könige wurden oft gestürzt,
abgeknickt wie Reiser,
und das Leben gar gekürzt
manchem mächtigen Kaiser:
Keine Revolution
jemals aber keine
stürzte diesen noch vom Thron,
höher als ein Göttersohn
dünkt sich dieser Eine-
der Geldsack, der Geldsack!

Doch es kommt, es kommt die Zeit,
wo auch er muss fallen,
ja, die Stund' ist nicht mehr weit -
seht euch vor, Vasallen!
Eine Revolution
werden wird's wie keine,
wenn entsagen muss der Kron,
wenn er herunter muss vom Thron
endlich dieser Eine-
der Geldsack, der Geldsack

Adolf Schults

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Ozymandias

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Re: Gedichte

von Ozymandias am 18.06.2010 15:29

Zweierlei Kampf ums Dasein

„Im Kampfe ums Dasein der Beste siegt,
Und der verdient’s, der unterliegt, --
Dass das Geschlecht veredeln kann
Mit stärkeren Kindern der stärkere Mann.“

Ja, solchen Kampf, den möcht ich auch,
Doch unter uns heutgen ist andrer Brauch:
Nicht Kampf von Mann gibt’s gegen Mann,
Dass Kraft an Kraft sich messen kann –
Der Gegner nicht, sein Hausknecht droht
Und schlägt dich mit einem Geldsack tot,
Oder ein Herrchen putzt aus dem Versteck
Dich mit der goldenen Kugel weg.
Aber sie werden sich weiter erfrechen
Von Darwinschem Kampfe ums Dasein zu sprechen.

Ferdinand Ernst Albert Avenarius

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Ozymandias

55, Männlich

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Re: Gedichte

von Ozymandias am 18.06.2010 15:30

Fortschritt

Einst, in roherer Zeit, da warf der Krieger den Degen
Mit der ehernen Fällst keck in die Wage des Rechts;
Jezt, in gebildeter Zeit, da legt der Reiche den Geldsack
Auf die Wage und wiegt — menschlichen Werth damit ab.

Ludwig Pfau

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Sibyl

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Re: Gedichte

von Sibyl am 22.06.2010 10:44

Otto Julius Bierbaum (1865-1910)

Glaube nur

Wenn im Sommer der rote Mohn
Wieder glüht im gelben Korn,
Wenn des Finken süßer Ton
Wieder lockt im Hagedorn,
Wenn es wieder weit und breit
Feierklar und fruchtstill ist,
Dann erfüllt sich uns die Zeit,
Die mit vollen Maßen mißt,
Dann verebbt, was uns bedroht,
Dann verweht, was uns bedrückt,
Über dem Schlangenkopf der Not
Ist das Sonnenschwert gezückt.
Glaube nur! Es wird geschehn!
Wende nicht den Blick zurück!
Wenn die Sommerwinde wehn,
Werden wir in Rosen gehn,
Und die Sonne lacht uns Glück.

- Es gibt drei Wahrheiten: die historische, die persönliche und die tatsächliche. -
- Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen. -
- Wer Stroh im Kopf hat, fürchtet den Funken der Wahrheit. -

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Sibyl

44, Weiblich

Beiträge: 72

Re: Gedichte

von Sibyl am 22.06.2010 10:45

Ada Christen (1839-1901)

Nach dem Regen

Die Vögel zwitschern, die Mücken
Sie tanzen im Sonnenschein,
Tiefgrüne feuchte Reben
Gucken ins Fenster herein.

Die Tauben girren und kosen
Dort auf dem niedern Dach,
Im Garten jagen spielend
Die Buben den Mädeln nach.

Es knistert in den Büschen,
Es zieht durch die helle Luft
Das Klingen fallender Tropfen,
Der Sommerregenduft.

- Es gibt drei Wahrheiten: die historische, die persönliche und die tatsächliche. -
- Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen. -
- Wer Stroh im Kopf hat, fürchtet den Funken der Wahrheit. -

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ella-ella
Gelöschter Benutzer

Re: Gedichte

von ella-ella am 22.06.2010 10:49

Alle Träume können wahr werden,
wenn wir den Mut haben,
ihnen zu folgen.

Walt Disney

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ella-ella
Gelöschter Benutzer

Re: Gedichte

von ella-ella am 22.06.2010 10:52

Eine Frau macht niemals
einen Mann zum Narren:
Sie sitzt bloß dabei und
sieht zu,wie er sich
selbst dazu macht.

Frank Sinatra

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