Die CIA liest bei Twitter und Facebook mit
von Kimberly Dozier, ap - Beim US-Geheimdienst arbeitet ein Team, das sich selbst «rachedurstige Bibliothekare» nennt. Sie durchstöbern Facebook und Co. und beliefern den Präsidenten mit Informationen.
Facebook und Co. sind für die CIA zu einem wichtigen Informationsmittel und Stimmungsbarometer geworden.
In einem unauffälligen Backsteinbau in einem Industriepark irgendwo im US-Staat Virginia verfolgen CIA-Mitarbeiter rund um die Uhr, was bei Twitter, Facebook und anderen sozialen Netzwerken so los ist. Im sogenannten Open Source Center des US-Geheimdienstes arbeitet ein Team, dass sich selbst als «rachedurstige Bibliothekare» bezeichnet. Sie werten Zeitungen, Fernsehnachrichten und die Mitteilungen in Internet-Chat-Rooms aus, also alles, was öffentlich und allgemein zugänglich ist.
Ob Arabisch oder Chinesisch, vom verärgerten Tweet bis zum nachdenklichen Blog-Beitrag wird hier alles gelesen, es werden Informationen und Hinweise gesammelt. Die werden dann mit anderen Nachrichten und auch geheimen Informationen, wie abgehörten Telefongesprächen, abgeglichen, um ein Bild von Stimmungslagen zu gewinnen, dass die Führung in Washington haben will. So wurde zum Beispiel sofort registriert, wie es in bestimmten Regionen nach dem Kommandoeinsatz zur Tötung von Al-Kaida-Führer Osama bin Laden aussah.
Das erste Mal
Auch um Vorhersagen, wie es in bestimmten Ländern zum Beispiel im Nahen Osten weitergehen könnte, bemüht man sich hier. Ja, man habe den Aufstand in Ägypten kommen sehen, sagt der Direktor des Zentrums, Doug Naquin. Nur wann genau die Revolution losbrechen würde, wusste man nicht. Man habe schon vorhergesehen, dass «die sozialen Medien in Ländern wie Ägypten etwas verändern und zur Gefahr für die Regime werden» könnten, sagte Naquin kürzlich in einem Interview. Es sei das erste Mal gewesen, dass ein Reporter dieses Amt besuchen durfte, erklärten CIA-Mitarbeiter.
Reaktion auf 9/11
Das Open Source Center der CIA wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eingerichtet. Priorität hat deshalb auch die Terrorabwehr und die Verhinderung von illegalen Waffengeschäften. Aber die mehreren hundert Analysten - die genaue Zahl ist geheim - gehen einer grossen Bandbreite von Dingen nach, ob es der Internetzugang in China oder die Stimmung auf der Strasse in Pakistan ist.
Die meisten Mitarbeiter sitzen in Virginia, viele sind aber auch über die US-Botschaften in der ganzen Welt verteilt, um näher am Geschehen in den jeweiligen Ländern zu sein. Gefragt seien Mitarbeiter, die «wissen wie man Dinge findet, von denen andere Leute nicht einmal wissen, dass es sie gibt», sagt Naquin. Die sozialen Netzwerke habe man seit 2009 stärker unter die Lupe genommen, als Twitter und Facebook während der Grünen Revolution das Regime im Iran erschütterten. «Farsi hatte damals die drittstärkste Präsenz in den sozialen Medien», sagt Naquin.
Analysen landen auf Obamas Schreibtisch
Die Analysen des Zentrums finden fast jeden Tag Eingang in das tägliche Geheimdienst-Briefing für US-Präsident Barack Obama. Nach dem Tod Bin Ladens verfolgte man genau, wie die Stimmung in China und Pakistan war. Dabei orientierte man sich vor allem an den Sprachen. Und die Mehrheit der Tweets in Urdu, der Hauptsprache in Pakistan, und auf Chinesisch waren negativ.
Als Obama einige Wochen später eine Rede zur Lage im Nahen Osten hielt, waren die meisten Tweets in den 24 Stunden danach aus der Türkei, Ägypten, dem Jemen, Algerien, vom Persischen Golf und auch aus Israel negativ. In den arabischen und türkischen Tweets wurde Obama vorgeworfen, er bevorzuge Israel. Die hebräischen Tweets nannten seine Rede proarabisch. Dieses stichprobenartige Meinungsbild wurde später von anderen Medien und auch durch Geheimdienstberichte bestätigt. Das Zentrum vergleiche seine Ergebnisse auch mit Meinungsumfragen, sagt Naquin, um zu sehen, wer genauer sei.
Verlauf von Unruhen wird online beobachtet
Online-Dienste wie Facebook oder Twitter sind zu einer wichtigen Quelle geworden, wenn es um sich schnell entwickelnde Dinge wie Unruhen geht, wie es sie im April und Mai in Bangkok gab, erklärt der stellvertretende Direktor des Zentrums, der namentlich nicht genannt werden darf, weil er auch von Zeit zu Zeit undercover in fremden Ländern arbeitet. Auch die Lage des Zentrums ist geheim, um Angriffe, ob physisch oder elektronisch, zu verhindern.
Der stellvertretende Direktor gehörte auch zu den etwa 20 Mitarbeitern, die die US-Botschaft in Bangkok in dieser kritischen Zeit weiter am Laufen hielten, als Demonstranten durch die Strassen zogen und Diplomaten und auch viele Thailänder nicht mehr aus ihren Wohnungen konnten. Als auch die traditionellen Medien kaum noch berichten konnten, sprudelte es innerhalb weniger Stunden auf Twitter und Facebook, berichtet der stellvertretende Direktor.
Die CIA habe dann zwölf bis 15 Twitter-Nutzer genauer verfolgt, um zu sehen, wer verlässliche und genaue Informationen lieferte. Dabei half auch, dass die Twitterer untereinander immer wieder darauf hinwiesen, wenn jemand falsche Nachrichten verbreitet hatte, erklärt er. Zwei Drittel aller Nachrichten, die die Botschaft in Bangkok in dieser Krise nach Washington schickte, kamen schliesslich vom Open Source Center der CIA.