Die Drake-Formel
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Violett
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Die Drake-Formel
von Violett am 05.06.2010 07:19Wahrscheinlichkeit von extrasolarem Leben: Die Drake-Formel
Leif Walter, Philipps-Universität Marburg
Die Frage, ob außerhalb unseres Sonnensystems Leben existiert ist keine philosophische Frage, es
ist also keine Frage des Glaubens – sondern eine Frage von Wahrscheinlichkeiten. Die Tatsache,
dass wir existieren, bedeuted, dass die Wahrscheinlichkeit für Leben in einem Sonnensystem
ungleich Null ist. Für die Entwicklung von Leben ist jedoch eine äußerst komplexe Kette von
Ereignissen und Einzelprozessen notwendig, so dass unsere Existenz auf der anderen Seite
keinesfalls der Beweis für Leben in anderen Sonnensystemen ist.
Ein Ansatz auf diese Frage eine Antwort zu geben ist die Drake-Formel (nach F. Drake, 1961). Die
Formel formuliert die Fragestellung nach extrasolarem Leben durch gewisse
Einzelwahrscheinlichkeiten, die sich einzeln (wohlmöglich) einfacher beantworten lassen, als die
Frage nach außerirdischem Leben allgemein.
Die Formel gibt die Anzahl N Z von Zivilisationen in unserer Milchstraße an. Zivilisation
bedeuted an dieser Stelle eine Entwicklungsstufe von Leben, die interstellare Kommunikation
beherrscht und somit „Spuren“ hinterlässt. Die Technologie der gesuchten Lebensformen muss also
einen gewissen Grad erreicht haben, so dass diese Form der Kommunikation möglich ist. Wir
kennen bereits eine solche Zivilisation, nämlich wir Menschen, daher ist dieser Ansatz
gewissermaßen wohldefiniert.
Die Formel lautet nun:
N Z=N*⋅NPl⋅f s⋅f e⋅f l⋅f i⋅L/ LMW
Wie bereits erwähnt, erhält man die Anzahl der Zivilisationen in unserer Galaxie aus dem Produkt
von Einzelwahrscheinlickeiten mit der Gesamtzahl möglicher Lebensräume. Im einzelnen haben die
Parameter folgende Bedeutung:
N* : Die Anzahl der Sterne im Milchstraßensystem, liegt bei rund 3⋅1011 .
N Pl : Mittlere Anzahl von Planeten pro Stern. Unser Sonnensystem hat n~10 Planeten.
Durch die bisherigen Untersuchungen bzgl. extrasolarer Planeten kann nicht sicher gesagt werden,
ob dies ein typischer Wert ist oder nicht. Eine pessimistische Wahl dieses Parameters wäre
N Pl=1 .
f s : Bruchteil der sonnenähnlichen Sterne. Nur Sterne mit Masse M≈M Sonne bieten
Umweltbedingungen, die dauerhaften terristrischen Daten entsprechen. Bei deutlich größeren
Massen als MSonne wäre die Lebensdauer des Sterns nicht lang genug, um die Entwicklung von
Leben zu ermöglichen – bei zu niedrigen Massen wäre die Energiemenge nicht ausreichend. Der
Parameter f s lässt sich aus der Massenfunktion für Sterne ableiten; realistische Werte liegen
hier zwischen f s=0,06 und f s=0,3 .
f e : Anteil der Planeten eines Sternensystems, die aufgrund ihrer Beschaffenheit und des
Abstands vom Zentralgestirn für die Entstehung von Leben in Frage kämen. Gasriesen wie Jupiter
zum Beispiel kommen für Leben (wie wir es kennen) nicht in Frage. Es muss sich um terristrische
Planeten handeln, die sich im richtigen Abstand um ihre Sonne bewegen, um lebensfreundliche
Bedingungen zu bieten. Optimistisch könnte man meinen, dass jeder fünfte Planet diese
Bedingungen erfüllt ( f e=0,2 )– eine untere Abschätzung wäre hingegen f e=0,01 .
f l : Anteil dieser Planeten, auf denen sich tatsächlich Leben entwickelt. Selbst auf unserem
Planeten ist nicht völlig klar, wie und warum Leben enstehen konnte. Man könnte annehmen, dass
Leben immer entsteht, sobald die obigen Bedingungen (passendes Zentralgestirn, Planet mit
günstiger Beschaffenheit und im richtigen Abstand) erfüllt sind ( f l=1 ). Dies ist allerdings
fraglich. Die Enstehung von Leben könnte, trotz der idealen Bedingungen, auch völlig zufällig und
entgegen aller Wahrscheinlichkeit einstanden sein. Pessimistische Werte liegen bei f l=10−6 .
f i : Die Anzahl an Planeten, auf denen sich Leben bis zur Zivilisation entwickelt. Auch hier gibt
es gewisse Diskrepanzen: Erneut könnte man annehmen, dass dies immer der Fall ist. Falls Leben
existiert, so entwickelt sich dies stets solange weiter, bis es eine Entwicklungsstufe ähnlich der
unseren erreicht (oder darüber hinaus). Oder aber, gewisse äußerliche Einflüsse und Begebenheiten
verhindern die Entwicklung über ein gewisses Level hinaus. Eine vorsichtige Abschätzung für
diesen Parameter wäre f i=0,01 .
L/ LMW : Verhältnis der mittleren Lebensdauer einer Zivilisation zum Alter der Milchstraße. Eine
Zivilisation muss nach ihrer Entstehung nicht zwangsläufig unendlich lange überleben. (Sollten wir
es nicht schaffen, unser Sonnensystem zu verlassen, so ist die Lebensdauer unserer eigenen
Zivilisation zumindest durch die Lebensdauer unserer Sonne nach oben beschränkt). Dabei kann
eine Zivilisation sanft aussterben oder auch durch äußerliche Einwirkungen. Überlebt eine
Zivilisation sehr lange L~109 Jahre , so ist der Faktor L/ LMW=0,1 - stirbt eine Zivilisation
hingegen sehr schnell aus L~100 Jahre , so ist dieser Faktor L/ LMW=10−8 !
Durch den letzten Faktor, wird N Z also zu der Anzahl von uns auffindbaren Zivilisationen, d.h.
Zivilisationen, die nicht bereits ausgestorben sind.
Beispiel
Wir wollen nun einfach kurz eine beispielhafte Berechnung von N Z durchführen. Die Parameter
seien wie folgt gewählt:
N*=3⋅1011 (fest)
N Pl=6 Eine optimistische Schätzung. Die Annahme ist hier, dass sich Sternensysteme allgemein
recht analog zu unserem eigenen entwickeln und grundsätzlich diverse Planeten aus der
Materienscheibe entstehen. Ein niedriger Wert würde an dieser Stelle bedeuten, dass sich die
Materie in den meisten Fällen viel weniger verteilt.
f s=0,15 Neutrale Schätzung.
f e=0,05 Dies entspräche, dass jeder zwanzigste Planet aufgrund seiner Beschaffenheit und des
Abstands zum Stern für Leben in Frage käme. In unserem eigenen System bietet nur die Erde diese
Bedingungen (der Parameter wäre also 0,125 = 1/8) – und es ist fraglich, ob dies die Regel ist.
f l=1 Eine sehr optimistische aber nicht unplausible Schätzung. Ich gehe hier davon aus, dass
sich grundsätzlich immer dann Leben entwickelt, wenn die Bedingungen dafür gegeben sind, dass
Leben also rein kausal begründet ist.
f i=0,75 Auch hier begründe ich diese optimistische Annahme mit Kausalität. Sobald Leben
ensteht, wird sich dieses immer weiterentwickeln, bis schließlich die Stufe einer Zivilisation
erreicht ist. Allerdings wird diese Entwicklung jedoch auch evtl. frühzeitig unterbrochen werden
(z.B. durch äußere Einflüsse). Daher sei der Parameter als 3/4 gegeben.
L/ LMW=10−6 Der schwierigste Parameter, da auch unsere eigene Lebensdauer als Zivilisation
geschätzt werden muss. Die Wahl L/ LMW=10−6 bedeuted, dass Zivilisationen wie die unsere,
ungefähr 10.000 Jahre überlebt. Gehen wir davon aus, dass wir selbst der anfänglichen Definition
einr Zivilisation seit ungefähr 1900 n. Chr. genügen, würde dies bedeuten, dass wir Menschen noch
ungefähr bis zum Jahre 11.900 durchhalten.
Ergebnis:
N Z=3⋅1011⋅6⋅0,15⋅0,05⋅1⋅0,75⋅10−6=405 000
Mit der obigen Wahl der Parameter erhält man also eine Zahl von 405.000 Zivilisationen in unserer
Milchstraße! Mit einer Ausdrehnung von ungefähr 30.000 Pc x 30.000 Pc x 950 Pc ergibt dies
jedoch immer noch einen mittleren Abstand von über 128 Parsec zwischen den Zivilisationen. Dies
sind über 400 Lichtjahre. Sogar in diesem Fall wird es also noch eine ganze Weile dauern, bis wir
etwas von unseren potentiellen Nachbarn hören.
Kritik
Natürlich kann die Drake-Formel nur eine sehr eingeschränkte Antwort auf die Frage von
extrasolaren Leben bieten. Die jeweiligen Einzelwahrscheinlichkeiten sind nur sehr schwer zu
bestimmen – nicht umsonst erhält man je nach Wahl der Parameter Antworten zwischen 109 und
1-2 Zivilisationen in unserer Galaxis. Dennoch liefert die Drake-Formel einen guten Zugang zu
diesem Thema, macht sie die Existenz von außerirdischen Leben doch von Wahrscheinlichkeiten
abhängig, die sich mit fortschreitender Technik und weiteren Forschungen immer besser bestimmen
lassen werden.
Quellen
Weigert, Wendker, Wisotzki: „Astronomie und Astrophysik“ (Wiley-VCH)
Freedman, Kaufmann: „Universe“ (Freeman and Company)