Benoit Mandelbrot: Fractals and the art of roughness

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weirdo
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Benoit Mandelbrot: Fractals and the art of roughness

von weirdo am 15.07.2012 18:01



Vielen Dank. Erlauben Sie, dass ich mich hinsetze; ich bin sehr alt. (Gelächter) Das Thema, das ich erörtern werde ist in gewissem Sinne von sehr eigentümlicher Natur, da es ein sehr altes Thema ist. Rauigkeit wird für alle Zeiten stets das Leben des Menschen mitbestimmen. Bereits Schriftsteller der Antike schrieben über sie. Sie ließ sich praktisch nicht beherrschen, und schien in gewissem Sinne für das Extremum der Komplexität zu stehen: schlichtweg Chaos, mehr Chaos und abermals Chaos. Es gibt ja vielerlei Arten von Unordnung. Tatsächlich wurde ich durch kompletten Zufall vor vielen Jahren in eine Studie mit einbezogen, welche diese Ausprägung von Komplexität untersuchte und ich war sehr erstaunt Spuren zu finden - sogar sehr deutliche, muss ich sagen - von Ordnung inmitten dieser Rauigkeit. Deshalb möchte ich Ihnen heute ein paar Beispiele vorstellen, um zu zeigen, was dies eigentlich bedeutet. Dabei verwende ich bevorzugt das Wort "Rauigkeit" anstelle des Wortes "Unregelmäßigkeit", da Unregelmäßigkeit - für jemanden, der wie ich in seiner Jugend Latein hatte - das Gegenteil der Regelmäßigkeit ausdrückt. Doch das stimmt so nicht: Regelmäßigkeit ist das Gegenteil von Rauigkeit, da grundlegende Erscheinungen der Welt sehr rau sind.Lassen Sie mich Ihnen ein paar Gegenstände zeigen. Einige davon sind künstlicher Natur. Andere wiederum sind in gewissem Sinne sehr reell. Und hier ist das reelle Anschauungsobjekt: ein Romanesco Blumenkohl.

Nun, warum zeige ich Ihnen hier einen Blumenkohl, ein total gewöhnliches und uraltes Gemüse? So alt und antik er auch sein möge, so ist er doch sehr kompliziert und sehr einfach - und das zur gleichen Zeit. Legen Sie ihn einmal versuchsweise auf die Waage: lässt er sich natürlich sehr leicht wiegen. Wenn Sie ihn essen, spielt sein Gewicht schon eine Rolle. Aber nehmen Sie jetzt einmal an, Sie würden versuchen, seine Oberfläche abzumessen. So etwas ist doch sehr interessant. Wenn Sie ein scharfes Messer nehmen, eines der Röschen des Blumenkohls wegschneiden und sich dieses dann für sich allein betrachten, stellen Sie sich nach wie vor einen ganzen Blumenkohl vor - aber einen kleineren. Dann schneiden Sie nochmals, und nochmals, und nochmals, und nochmals, und nochmals, und nochmals ... ... und Sie bekommen nach wie vor kleine Blumenköhlchen. Die menschliche Erfahrung hat seither gelehrt, dass Objekte existieren, welche über jene seltsame Eigenschaft verfügen. dass jedes Teilstück dessen Ganzen repräsentiert - lediglich in kleinerem Maßstab. Und was hat die Menschheit daraus gemacht? Sehr, sehr wenig. (Gelächter)

Was ich also im Grunde gemacht habe, ist, dieses Problem zu studieren, wobei ich etwas sehr Überraschendes herausfand, nämlich: dass sich Rauigkeit zahlenmäßig messen lässt, mittels einer Zahl; einer Zahl so wie 2,3, oder 1,2 - manchmal noch viel mehr. Eines Tages kam ein Freund zu mir nach Hause. Um mich etwas aufzuziehen, hatte er ein Bild mitgebracht, und stellte mir die Frage: "Wie viel beträgt die Rauigkeit dieser Kurve?" worauf ich antwortete: "Hmm ... etwas weniger als 1,5." Tatsächlich betrug sie 1,48. Und es nahm nicht einmal Zeit in Anspruch, ich hatte mich schon so lange mit Dingen dieser Art befasst. Somit sind diese Zahlen diejenigen, welche die Rauigkeit dieser Oberflächen angeben. Ich möchte es auch gleich zu Anfang vorwegnehmen, dass diese Oberflächen gänzlich künstlicher Natur sind; sie wurden auf einem Computer generiert - mit einer einzigen Zahl als Eingabeparameter. Dieser Parameter gibt den Rauigkeitsgrad an. Auf der linken Seite habe ich die Rauigkeit abgebildet, die ich vielen Landschaften entnommen habe. Auf der rechten Seite habe ich eine höhere Rauigkeit abgebildet. Diese kann das Auge nach einiger Zeit sehr gut voneinander unterscheiden.

Die Menschheit musste das Wissen erlangen, wie sie Rauigkeit messen kann. Das ist sehr rau, das andere ansatzweise glatt, während dieses völlig glatt ist. Doch nur wenige Dinge haben eine derart glatte Oberfläche. Wenn Sie sich nun also selbst die Frage stellen: "Wie ist die Oberfläche eines Blumenkohls beschaffen?" dann messen Sie ... und messen ... und messen ... und jedes Mal, wenn Sie näher dran sind, wird sie größer, bis hinunter zu sehr, sehr kleinen Entfernungen. Und wie lange ist die Küstenlinie dieser Seen? Je näher Sie herangehen, um sie zu messen, desto länger kommt sie Ihnen vor. Die Begrifflichkeit der "Länge der Küstenlinie", welche so selbstverständliche erscheinen mag (da das ja in vielen Fällen sogar zutreffen mag) entpuppt sich im Endeffekt als völliger Trugschluss: etwas Derartiges gibt es nicht! Sie müssen auf andere Weise an das Problem herangehen.

Worin besteht der Nutzen, dies zu wissen? Nun, überraschenderweise ist es auf viele Arten nützlich. Als Beispiel: künstliche Landschaften (deren "Erfinder" ich ja gewissermaßen selbst bin) werden im Kino ständig genutzt. Ganz in der Ferne können wir Gebirge erkennen. Es mag sich um Gebirge handeln, aber es könnten auch nur Formeln sein, an denen etwas "herummontiert" wurde. Heutzutage ist das ja ein Kinderspiel. Was früher einmal extrem zeitaufwändig gewesen war, ist in der heutigen Zeit kein Hexenwerk mehr. Nun schauen Sie sich das einmal an. Das ist eine echte menschliche Lunge. Eine Lunge ist etwas Seltsames. Wenn Sie die hochheben, werden Sie sehr wohl feststellen, dass sie fast nichts wiegt. Das Volumen einer Lunge ist eben sehr gering. Aber wie sieht es mit der Oberfläche derselben aus? Die Anatomen haben sich sehr intensiv darüber gestritten. Einige sagen, dass die Lunge eines Mannes die Größe der Innenfläche eines Basketballs hätte. Andere wiederum wanden ein, nein das stimme gar nicht, es seien fünf Basketbälle. Völlige Uneinigkeit. Doch wie kommt das? Daher, weil die Lungenoberfläche im Grunde etwas sehr unscharf Definiertes ist. Die Bronchien verzweigen sich ... und verzweigen sich ... und verzweigen sich; und irgendwann hören sie auf, sich zu verzweigen - jedoch nicht einfach wegen irgendwelcher Prinzipien, sondern aus physischen Erwägungen heraus; nämlich wegen des Schleims, der die Lunge ausfüllt. Daraus ergibt sich also, dass es durchaus so ist, dass Sie als Mensch über eine größere Lunge verfügen, wenn sie sich verästelt und weiter verästelt - bis zu winzigsten Entfernungen hinunter - handelt es sich bei einem Wal, einem Menschen oder einem kleinen Nagetier jedes Mal um ein und dasselbe Prinzip.

Und weswegen ist es nun nützlich, diese Erkenntnis gewonnen zu haben? Nun, gleichsam überraschenderweise wie erfreulicherweise hatten die Anatomen zumindest bis vor kurzem noch eher rudimentäre Vorstellungen der Lungenstruktur. Und ja, ich glaube, dass meine Mathematik - so überraschend es auch sein mag - eine große Hilfe gewesen ist für die Chirurgen, die den Verlauf von Lungen- und Nierenkrankheiten studiert haben - samt all dieser Verästelungssysteme, für die bislang keine geometrische Beschreibung existierte. Ich habe mich sozusagen ertappt, eine Geometrie zu erdenken von Dingen, die eigentlich gar keine Geometrie besaßen. Desweiteren ist es ein überraschender Gesichtspunkt, dass die Regeln dieser Geometrie sehr häufig überaus kurz sind. Sie hantieren mit derart langen Formeln; und mehrere Male "schrauben" Sie an ihnen herum. Manchmal wiederholt, immer und immer wieder - derselbe sich wiederholende Prozess. Und als Endresultat bekommen Sie solche Dinge heraus.

Diese Wolke hier ist völlig künstlich, zu 100%. Nun gut, sagen wir: zu 99,9%. Den einzigen natürlichen Teil davon stellt die Zahl dar, die den Rauigkeitsgrad der Wolke angibt, welcher der Natur entnommen ist. Etwas so Kompliziertes wie eine Wolke, die so unbeständig, so variabel ist, sollte doch eigentlich einer einfachen Regel unterliegen...? Beschreiben lassen sich Wolken mittels dieser einfachen Regel nicht. Der Betrachter dieser Wolken musste diesen Sachverhalt in Erwägung ziehen. Ich weiß nicht, wie professionell diese Bilder entwickelt wurden - es handelt sich um alte Bilder. Ich war ja in diese Dinge einmal sehr stark involviert, richtete mein Augenmerk dann jedoch auf andere Phänomene.

Es gibt es noch etwas zu berichten, das sehr interessant ist: eines der aufrüttelnden Ereignisse in der Geschichte der Mathematik, welches von vielen Menschen nicht gebilligt wird, und sich vor rund 130 Jahren zutrug - nein ... vor 145 Jahren war es. Die Mathematiker fingen an, Gebilde zu erschaffen, die es in Wirklichkeit gar nicht gab. Die Mathematiker ergingen sich geradezu in Selbstbeweihräucherung in einem wahrlich erstaunlichen Ausmaß: dass der Mensch Dinge erfinden könne, über welche die Natur gar nichts wisse. Genauer gesagt, konnte er Dinge erfinden wie eine Kurve, die eine Ebene ausfüllt. Eine Kurve ist eine Kurve, und eine Ebene ist eine Ebene - miteinander vermischen würden sich die beiden nicht. Und sie vermischen sich doch! Ein Mann namens [Giuseppe] Peano definierte Kurven genau solchen Typs, die bald ein außergewöhnliches Interesse auf sich zogen. Sie waren zwar sehr wichtig, jedoch hauptsächlich interessant weil es zu einer Art Bruch kam: einer Trennlinie, die sich auf einmal zwischen der an der Wirklichkeit orientierten Mathematik und der neuartigen, vollständig einem menschlichen Geist entsprungenen Mathematik durchzog. Nun, ich bedauerte es beinahe gar, zu betonen, dass besagter menschlicher Geist im Grunde gesehen nach langer Zeit endlich das wahrgenommen hat, was schon über einen langen Zeitraum wahrgenommen wurde. So möchte ich Ihnen hier etwas vorstellen, nämlich die Menge der Flüsse von einer die Ebene ausfüllenden Kurve. Und ja, es ist eine Geschichte für sich. Sie ereignete sich so in der Zeit von 1875 bis 1925, einer außergewöhnlichen Epoche, in welcher die Mathematik kurz davor war, aus dieser Welt "auszubrechen". Und diese Gegenstände, die damals - in meiner Kindheit und Studentenzeit - als Fallbeispiele herangezogen wurden, um zu zeigen, wo die Trennlinie zwischen der Mathematik und der (be)greifbaren Realität verlief - genau diese Gegenstände habe ich vollständig auf den Kopf gestellt, und sie dazu verwendet, um einige der Ausprägungen der Komplexität in der Natur beschreiben zu können.

Ein Mann namens [Felix] Hausdorff hatte 1919 einmal eine Zahl eingeführt, die schlichtweg als mathematischer Witz gemeint war. Doch ich fand heraus, dass diese Zahl eine gute Maßzahl für Rauigkeit darstellen würde! Als ich das meinen Mathematiker-Freunden erzählte, meinten sie nur: "Sei doch nicht albern! Es ist nur grober Unfug." Tatsächlich war ich jedoch keineswegs albern. Der große Maler Hokusai kannte sich auf diesem Gebiet sehr gut aus. Diese Objekte dort auf dem Grund sind Algen. Die dazugehörige Mathematik kannte Hokusai nicht: sie existierte ja noch nicht. Dazu kommt, dass ihm als Japaner der Kontakt zur westlichen Welt seinerzeit ohnehin nicht möglich war. Doch schon seit langer Zeit verfügte die Malerei über eine Art von "fraktaler Sichtweise", über die ich allein stundenlang referieren könnte. Auch der Eiffelturm hat eine fraktale Sichtweise. Das Buch, das Herr Eiffel über diesen Turm schrieb, habe ich gelesen. Und es war in der Tat erstaunlich, wie viel er davon begriffen hatte.

Dies hier bildet ein heilloses Durcheinander ab - eine "Brownsche Schleife". Eines Tages, mitten in meiner Laufbahn, wurde ich wieder einmal durch meine Arbeit von so vielen Dingen aufgehalten, dass ich beschloss, mich einmal selbst zu prüfen. Würde ich imstande sein, irgendetwas, das jeder schon seit langem betrachtet hat, einmal selbst in Augenschein zu nehmen und etwas faszinierend Neuartiges darin zu finden? So schaute ich mir eben diese Gebilde an - Brownsche Bewegungen genannt -, die sich permanent im Kreis drehen. Einige Zeit spielte ich damit herum, und brachte sie anschließend wieder in die ursprüngliche Lage. Dann sagte ich zu meinem Assistenten: "Also ich erkenne da gar nichts. Könnten Sie es einmal einfärben?" So färbte er es ein, was im Einzelnen heißt, dass er die Farbe überall darin verteilte. Er berichtete mir: "Ja, also das ist hierbei herausgekommen..." - ich unterbrach ihn sogleich: "Halt, halt, Moment! Ich sehe, dass das eine Insel darstellt." Und dann kam das Faszinierende: genauso verhielt es sich mit der Drehung bei der Brownschen Bewegung (die zufällig einen Rauigkeitsgrad von 2,0 besitzt). Ich maß es ab ... 1,33. Und wieder, und wieder, und immer wieder. Langwierige Messungen, große Brownsche Bewegungen, ...? 1,33. Das mathematische Problem war: wie beweisen wir das? Meine Freunde benötigten 20 Jahre für diesem Beweis, wobei dieser bei drei von ihnen nicht vollständig war. Sie schlossen sich zusammen, und zusammen schafften sie letztendlich auch den Beweis. Sie bekamen dafür die ruhmreiche [Fields-] Medaille in Mathematik: eine der drei Medaillen, die Menschen für Beweise von Dingen bekommen haben, die ich gesehen habe, ohne sie jedoch selbst beweisen zu können.

Nun werden mich alle Leute irgendwann bestimmt einmal fragen: "Wie fing das eigentlich an? Was genau hat Sie in dieses seltsame Metier hinein 'verschlagen'?" Was bewog mich, zur selben Zeit ein Konstruktionsingenieur, ein Geograph, ein Mathematiker, ein Physiker usw. ... in einer Person zu sein? Tatsächlich fing ich - kurioserweise - damit an, Börsenkurse zu analysieren. So stellte ich die Theorie auf, und schrieb Bücher über Kurssteigerungen an der Börse. Links sehen Sie über lange Zeit aufgezeichnete Werte. Auf der rechten Seite, in der oberen Hälfte, können Sie eine Theorie sehen, die sehr, sehr in Mode ist. Sie war sehr einfach aufzustellen, weswegen man auch in kurzer Zeit viele Bücher darüber schreiben können. (Gelächter) Tatsächlich gibt es Tausende Bücher davon. Jetzt vergleichen Sie das einmal mit realen Kurssteigerungen. Wo kann man die hier sehen? Nun, diese anderen Linien hier geben einige reale Kurssteigerungen wieder - und einige Manipulationen meinerseits. Die Grundidee war somit die, man sollte in der Lage sein - wie sagt man? - Kurssteigerungen zu "modellieren". Und vor 50 Jahren lief so etwas wirklich hervorragend. So musste ich 50 Jahre lang die Buhrufe der Menschen ertragen, zumal sie das auf sehr viel leichtere Weise bewerkstelligen konnten. Aber glauben Sie mir: von diesem Zeitpunkt an haben mir die Menschen zugehört. (Gelächter) Diese zwei Kurven hier geben Durchschnittswerte an. Die Blaue dort zeigt Standard & Poor an. [Anm. d. Übers.: S&P 500 der N. Y. Ratingagentur, einer Tochter von McGraw-Hill] Und die Rote dort bildet ebenfalls S&P 500 ab - jedoch bei dieser wurden die fünf größten "Unstimmigkeiten" entfernt. Unstimmigkeiten sind doch stets lästig! In vielen Kursstudien werden sie gerne links liegengelassen. "Ach, Handlungen Gottes eben. Und das bisschen Unfug ist das, was davon zurückbleibt. Handlungen Gottes." Auf diesem Bild hier sind fünf seiner Handlungen genauso bestimmend wie alles andere auch. Oder anders ausgedrückt: Wir sollten gerade eben nicht die Handlungen Gottes außer Acht lassen. Das ist das Kernproblem des Ganzen. Denn wenn Sie diese Handlungen beherrschen, dann beherrschen Sie auch die Börsenkurse. Beherrschen Sie sie nicht, dann können Sie ebenso gut diese kleine Differenz hier nach besten Fähigkeiten beherrschen - doch darauf kommt es nicht an. Hier können Sie die Kurven dafür sehen.

Jetzt möchte ich zum Schlussthema kommen: nämlich zu der Menge, die meinen Namen trägt. In gewisser Weise spiegelt sie meine ganze Lebensgeschichte wider. Meine Jugendzeit verbrachte ich zu einer Zeit, als Frankreich unter deutscher Besatzung stand. Und weil ich der Meinung war, dass ich möglicherweise innerhalb eines Tages oder einer Woche auf einmal verschwunden sein könnte, hegte ich sehr große Träume. Nach dem Krieg sah ich einen Onkel von mir wieder. Dieser war ein sehr renommierter Mathematiker und meinte zu mir: "Schau mal her, ich habe hier ein Problem, das ich vor 25 Jahren nicht lösen konnte, und das wohl niemand lösen kann: eine Konstruktion, geschaffen von einem Mann namens [Gaston] Julia sowie [Pierre] Fatou. Wenn es dir gelingt, dabei etwas Neues zu finden, gleich welcher Art, wird es dir den Weg für eine glänzende Karriere ebnen." Na, das klang doch sehr einfach. So schaute ich mir das eben an, und genau wie die Abertausenden Menschen vor mir, die es schon versucht hatten, fand ich - rein gar nichts.

Doch dann brach das Computerzeitalter an, und ich beschloss, den Computer nicht für neue mathematische Probleme einzusetzen (auf eine Art wie: "schau mal, ich hab' hier ein neues Problem für dich") sondern für klassische Probleme. Also ging ich von sogenannten reellen Zahlen, welche Punkte auf einer Geraden darstellen, über zu imaginären (komplexen) Zahlen, die Punkte auf einer Ebene repräsentieren - genau das, was man in diesem Fall eben machen sollte. So entstand dieses Gebilde. Es ist geprägt durch seine außergewöhnliche Komplexität. Dahinter verbirgt sich eine Gleichung: z wird zugeordnet z im Quadrat plus c. Es ist gleichsam simpel wie knochentrocken - und uninteressant dazu. Nun drehen Sie aber doch mal die "Kurbel" einmal, zweimal ... ja, zweimal: und es kommen wahre Wunder dabei heraus.

Wovon ich spreche, ist dies hier. Ich möchte diese Dinge hier aber nicht im Einzelnen erläutern. Dies ergibt sich daraus. Das ergibt sich daraus. Gebilde von solch überwältigender Komplexität, Harmonie und Schönheit. Immer wieder erhalten Sie so etwas, wieder, wieder, und wieder. Das war eine meiner bedeutsamsten Entdeckungen. nämlich dass diese Inseln dieselben wie das großformatige Ganze waren - jedenfalls mehr oder weniger. So bekommen Sie diese außergewöhnlichen, barocken Ornamente über die ganze Fläche: und das lediglich mit Hilfe dieser kleinen Formel, die gerade einmal über fünf Glieder verfügt. Oder dieses hier auch, bei dem die Einfärbung aus zweierlei Gründen gemacht wurde: der Hauptgrund dafür war, dass diese Gebilde derart kompliziert sind, dass die Zahlen keinerlei Sinn ergeben; mehr noch: wenn Sie sie ausdrucken, müssen Sie in jedem Fall ein bestimmtes System einführen. Daher bestand mein Prinzip schon immer darin, die Gebilde unter Anwendung verschiedenartiger Kolorierungen zu präsentieren, da einige davon dies hervorheben, und die anderen wiederum das. Es ist so ungeheuer kompliziert. (Gelächter)

1990 war ich in Cambridge in Großbritannien, um einen Preis der Universität entgegenzunehmen. Drei Tage später war ein Pilot gerade dabei, diese Landschaft hier zu überfliegen, und entdeckte dieses "Ding" dort. Aber wie kam das dorthin? Allem Anschein nach doch wohl durch Außerirdische. (Gelächter) Daraufhin veröffentlichte die in Cambridge ansässige Tageszeitung einen Artikel über diese "Entdeckung" und bekam tags darauf 5000 Briefe ins Haus von Menschen, die meinten: "Das ist doch einfach eine sehr große Mandelbrot-Menge!"

Lassen Sie mich zum Ende kommen. Dieses Gebilde hier entstand einzig und allein durch Anwendung reiner Mathematik. Eine wahre Flut an Wundern tut sich mittels einfacher Regeln auf, die sich wiederholen - ohne Unterlass.

Ich danke Ihnen vielmals. (Applaus)

http://www.ted.com/speakers/benoit_mandelbrot.html
http://users.math.yale.edu/mandelbrot

http://de.wikipedia.org/wiki/Benoît_Mandelbrot#Fraktale_und_Rauheit_in_der_Natur

Alles Wissen ist vergeblich ohne die Arbeit, und alle Arbeit ist sinnlos ohne die Liebe. [Khalil Gibran]

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