Rettet Allianoi!

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weirdo
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Rettet Allianoi!

von weirdo am 09.09.2008 12:25


Die Quellnymphe von Allianoi (heute im Museum von Bergama),
Detailansicht der Hände (www.stefaniemoehrle.de)


Ich möchte Euch auf ein Geschehen in der Türkei, genauer gesagt in Südost-Anatolien aufmerksam machen. Dort soll ein wahrer Schatz der Archäologie in den Wassern eines Stausees versinken:

Allianoi ist ein ausgedehnter antiker Kurort, der 18 Kilometer nordöstlich von Pergamon in der türkischen Provinz Izmir am Pasa-Ilicasi-Thermalbad liegt. Der antike Ort ist hervorragend erhalten. Er war akut durch die Errichtung eines Staudammes bedroht, der am 15. November 2005 geflutet werden sollte. Am 29. Oktober 2005 hatte die zuständige Denkmalschutzbehörde in Izmir einer Klage gegen die Überflutung von Allianoi stattgegeben. Der Yortanli-Staudamm durfte solange nicht geflutet werden, bis die erforderlichen Schutzmaßnahmen für den antiken Ort abgeschlossen waren. Im Januar 2007 wurde bekannt, dass derselbe Ausschuss der Behörde in einer nichtöffentlichen Sitzung seinen Beschluss revidiert hatte. Allianoi kann nun erneut jederzeit geflutet werden. Ein heftig umstrittenes Gutachten, das der Wasserbehörde seit Oktober 2007 vorliegt, empfahl die sofortige Inbetriebnahme des Staudamms. (wiki)

Seit 2001 gilt die Grabungsstätte offiziell als "bewahrenswertes Kulturgut ersten Ranges".
Nach geltendem türkischem Recht wäre die Flutung somit eigentlich gar nicht gestattet.

Pressetext:
Erneut wertvolle antike Stätte durch Damm gefährdet
Archäologen protestieren: Türkische Ausgrabungsstätte soll geflutet werden


Allein die Badeanlage umfasst fast 10.000 m². Es sind in den 9 Jahren der Ausgrabung über 11.000 Artefakte geborgen worden, darunter ca. 400 medizinische Instrumente aus Metall - obwohl Ahmed Yaras und sein Team erst etwa 20% der Oberfläche des antiken Kurortes, der seine Blütezeit im zweiten Jahrhundert nach Christus erlebte, erforscht haben. Fast alle der Mosaikböden der Kur- und Behandlungsräume im Zentrum sind erhalten - jeder Raum hatte ein eigenes Muster!

Hier eine Seite mit sehr schönen Bildern:
http://www.assos.de/allianoi

Die Türkei baut Staudämme wie am Fließband. Doch was der Landwirtschaft und der Industrie helfen soll, bedeutet [nicht nur Massenumsiedlungen - Hilfen für die Menschen, die weichen sollen, blieben so gut wie aus - sondern auch] den Untergang einzigartiger archäologischer Schätze. Überall im Land versinken antike Siedlungen in den Fluten an den neuen Staudämmen [wie zuletzt Tamasotta, Nebalitschori und Zeugma in Süd-Ostanatolien in 2003], die zum Teil noch nicht einmal vollständig ausgegraben und ausgewertet sind.
Die Staudämme werden im Rahmen des GAP (Südostanatolien-Projekt, Güneydogu Anadolu Projesi) errichtet. Hierbei handelt es sich um ein Programm zur Entwicklung der Infrastruktur dieser Region, das den Bau von 22 Dämmen und 19 Kraftwerken an den Flüssen Euphrat und Tigris sowie deren Nebenflüssen umfasst. Die Gesamtkosten des Projektes werden auf etwa 32 Milliarden Euro geschätzt, die zum Teil mit EU-Finanzierungshilfen zusammen kommen. (NDR) [Ann]


Ich habe mich schon in 2004 und 2005 an Protestaktionen beteiligt, die die Flutung verhindert haben. Damals wurden fast 40.000 Unterschriften gesammelt. Dr. Yaras, der Leiter der Ausgrabungen, wendet sich an die internationale Öffentlichkeit, damit Druck auf die türkische Regierung ausgeübt wird. Die Ausgrabungsstelle selbst ist auch ein Ort des Protestes.

Der letzte Hoffnungsschimmer ist die Weltausstellung "Expo 2015", um deren Ausrichtung sich die Stadt Izmir gerade bewirbt. "Gesundheit für alle" lautet das Motto, mit dem die Metropole an der Ägäisküste gewinnen möchte. Wir hoffen, dass dadurch das öffentliche Interesse an dem nahegelegenen Allianoi steigt. Denn wie könnte sich die Region mit einem solchen Thema bewerben und zugleich einen der schönsten Kurorte der Antike in den Fluten versinken lassen?!

:arrow: Hier die offizielle "Support"-Seite:
http://www.europanostra.org/allianoi

//Edit: Bild ersetzt

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Antworten Zuletzt bearbeitet am 22.09.2012 17:17.

Nex
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Re: Rettet Allianoi!

von Nex am 09.09.2008 15:25

Bei so etwas geht mir echt der Hut hoch! Genau so, wie sie seinerzeit in Afghanistan und im Irak diese unschätzbaren Kulturzeugnisse einfach mal ebenso aus dem Handgelenk heraus, gesprengt haben.

Vor einiger Zeit lief so eine Kampagne im deutschen TV, die danach fragte: ... in welcher Gesellschaft wollt ihr Leben? Nun, in solch einer, rein nur noch profitorientierten, globalisierten, dem grenzenlosen Wachstum (schwachsinn, der Planet hat schließlich seine ganz natürlichen Grenzen) selbstverpflichteten, blinden, ignoranten GESELLSCHAFT jedenfalls nicht.

Ausserdem müsste die Frage lauten: AUF WELCHEN PLANETEN WOLLT IHR LEBEN???

Man hat den Eindruck, dass nicht jeder mehr, einige, wir alle, noch auf denselben Planeten leben. Was würden wir - in Bezugnahme zu einem anderen Thread - eigentlich davon halten, wenn wir von Aussen mitansehen würden, wie Ameisen ihren eigenen Hügel von innen zerstören. Wir würden vielleicht sagen, da ist ganz entschieden irgendetwas kaputt in dieser (Ameisen-) Gesellschaft. EBEN!

Bleibt zu hoffen, dass die türkische Gesellschaft auf einen Stausee weniger verzichten kann.

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weirdo
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Re: Rettet Allianoi!

von weirdo am 09.09.2008 18:01

Der Witz ist ja auch, dass ein solcher Staudamm maximal 50 Jahre genutzt werden kann.
Scheint fast so, als bereite sich die Türkei (und auch China) auf ein Wasser-Monopol vor...

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Hanswuast
Gelöschter Benutzer

Re: Rettet Allianoi!

von Hanswuast am 10.09.2008 18:51


Und dazu würde der Staudamm in der heutigen höheren Schwingung weitaus kürzer standhalten, wie sonst.

Den "letter" an Mr. Babacan habe ich heruntergeladen und die Tage wird der Richtung Türkei abgeschickt, in der Hoffnung, dass es hilft.

:D

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weirdo
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Re: Rettet Allianoi!

von weirdo am 10.09.2008 19:27

Vielen Dank. ;-)

Ja, der"Herzschlag der Erde" beschleunigt sich...
Wenn Du Dich für sowas ernsthaft interessierst,
schmeiss ich dir gleich eine Seite um die Ohren bzw. Augen:
http://www.pimath.de/magnetfeld/index.htm#anfang


Und ich hab', weil Du mich eben gefragt hast, was der Stand der Dinge ist, auch nochmal Tante Google nach aktuellen Artikeln befragt und da spuckte sie mir Folgendes aus:
Artikel vom 05.09.08 in der Turkish Daily News.
Den Versprechungen (wohl eher Hoffnungen) von Direktor Sarioglu glaube ich allerdings nur bedingt.

Lieben Gruss! Ann.

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Antworten Zuletzt bearbeitet am 10.09.2008 19:30.

weirdo
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Re: Rettet Allianoi!

von weirdo am 15.12.2010 00:00

Staudammpolitik der Türkei in Brüssel am Pranger
‎ISKU (Pressemitteilung) - 18. Nov. 2010

[...] Unter dem Motto "Water Politics in Turkey – A Challenge for EU-Turkey Relations" fand heute im Europäischen Parlament in Brüssel eine Konferenz der anderen Art statt. Europäische Abgeordnete und VertreterInnen der Kommission ließen sich aus erster Hand über die Situation an den türkischen Flüssen informieren. Ausnahmsweise stand dabei nicht der Ilisu Staudamm im Mittelpunkt, sondern zahlreiche andere Projekte, die hier im Westen zumeist völlig unbekannt sind. Etwa 20 Betroffene von 13 türkischen Organisationen berichteten von den Staudammprojekten, deren Folgen und ihrem Widerstand gegen diese Projekte. Sie kamen aus allen Teilen der Türkei, von den Flüssen Coruh, Yortanli (Allianoi), Munzur, Tigris, Alakir, Loc, Yuvarlakcay. Insgesamt sollen allein in diesen Tälern 598 Dämme gebaut werden. Frau Pervin Coban Savran, Vertreterin der Nomaden aus dem Taurusgebirge, erzählte von den Konsequenzen der Dämme für ihr Volk. Die Stauseen vernichten ihre Weidegründe und schneiden ihre uralten Wanderwege ab. Informiert oder gar gefragt wurden sie nicht. [...]

www.eca-watch.at
www.gegenstroemung.org

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